Runde Turm in Andernach

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von Dr. Klaus Schäfer – ehem. Leiter des Stadtmuseums, Andernach.

Seit dem legendären Turmbau zu Babel geht von steil in den Himmel aufragenden Bauwerken eine Faszination aus, der sich kaum ein Betrachter entziehen kann – egal ob es sich um die Wolkenkratzer des 20. Jahrhunderts, den Eiffel-Turm oder den Runden Turm in Andernach – einem der gewaltigsten spätmittelalterlichen Wehrtürme in Deutschland – handelt.

Türme sind und waren schon immer auch Symbole der Stärke und Macht. Dies läßt sich auch beim Runden Turm, dem imposantesten Element der mitteralterlichen Stadtbefestigung ausmachen. Ganz bewußt wurde der 56 m hohe Turm an der Nordwestecke des Mauerrings, unmittelbar am Rhein, der Hauptverkehrsader Europas errichtet. Nicht von ungefähr wurde der Turm offensichtlich allein mit städtischen Geldern, trotz schwieriger Finanzlage, und nicht aus kurkölnischen Kassen des Landesherrn erbaut. Die selbstbewußte Stadtgemeinde schuf sich ihr eigenes Wahrzeichen, das sowohl die Türme der Pfarrkirche, wie auch den Burgfried der kurkölnischen Burg überragt. Die hoch oben am Turm angebrachten Stadtwappen unterstreichen das Politische dieses Bauwerkes.

Der Runde Turm besteht aus zwei Hauptbauteilen, zwei aufeinander gestellten Türmen. Der 33 m hohe Basisturm – ein Rundturm – weist eine bis zu 4 m mächtige Mauer auf, die weitgehend aus Schieferbruchsteinen errichtet ist. Verbaut wurden aber auch einige Lagen der leicht rötlichen Tuffsteine vom Steinbruch am Laacher See. Dieser wuchtige Basisturm mit 15 m äußerem Durchmesser findet seinen oberen Abschluß in einem vorkragenden Wehrgang mit Wächterhaus und ist lediglich mit einem kleeblattförmigen Bodenfries aus Tuff auf langen Stabkonsolen am Übergang zum Wehrgang verziert. Das zweite Hauptbauteil bildet der 23 m hohe Turmteil mit achteckigem Grundriss. Bekrönt wird der Turm von acht Dreiecksgiebeln über einem Bogenfries, einem zeltförmigen Steinhelm und Firstblumen aus Basalt. Innen verfügt der Basisturm über ein Kellergeschoß und zwei weitere Geschosse mit je 5 Schußnischen zur Rundumverteidigung. Der obere Turmteil ist in zwei weitere Geschosse unterteilt. Über steinerne Wendeltreppen sind die einzelnen Stockwerke zu erreichen.

Die genaue Bauzeit ist nicht bekannt. Fest steht, daß der Turm im November 1453 fertiggestellt wurde. Wann mit dem Bau begonnen worden ist, kann nicht auf’s Jahr genau ermittelt werden. Wie eine Rechnung belegt, wurde bereits 1440 am Turm gebaut und 1442 wird berichtet, daß der Sturm ein sicher behelfsmäßig errichtetes Dach des Turmes beschädigt hat. Der Turm muß zu diesem Zeitpunkt demnach schon eine gewisse Höhe gehabt haben. Auch für das Jahr 1446 ist Bautätigkeit am Turm nachgewiesen. Für die Jahre 1448 bis 1450 und 1452 bis 1453 liegen umfangreiche Bausonderrechnungen vor, die uns einen interessanten Einblick in die Bautätigkeit am Turm erlauben.

Aus den Rechnungen erfährt man zum Beispiel, daß auf dem Turm zeitweilig ein Tretkran aufgeschlagen war, um die Lasten in die Höhe zu hieven. Ferner kann man den Rechnungen entnehmen, daß für die Tür- und Fenstersteine, wie auch für die Stufen der Wendeltreppen und die Firstblumen Basaltsteine aus Mendig Verwendung fanden. Die Bruchsteine wurden vom städtischen Steinbruch am Krahnenberg geliefert und die Tuffsteine kamen aus der Flur „Godelscheid“ bei Weibern und aus den Krufter Brüchen des Klosters Maria Laach. Für die Stadtwappen am Turm wurden 8 Tuffsteine im Jahre 1453 bei Schotten von Weir (Wehr) gekauft. Waren etwa ursprünglich acht Wappen am Turm angebracht oder bildeten zwei Steine ein Wappen?

Aus den Rechnungen der oben genannten fünf Jahre lassen sich Kosten von 6130 Mark, 7 Schilling und 9 Pfennig errechnen. Diese Sonderrechnungen beginnen offensichtlich mit den Abschlußarbeiten am Basisturm und enden mit dem Setzen der Giebelblumen zum krönenden Abschluß.

Die 6130 Mark machen aber nicht die Gesamtkosten dieses oberen Bauabschnitts aus, da die Rechnung des Jahres 1451 offenbar verlorengegangen ist.

Wenn auch für die meisten Jahre der Bauzeit keine Angaben über die verbauten Geldsummen vorliegen, so ist die Teilsumme von 6130 Mark schon enorm, wenn man bedenkt, daß der Tageslohn eines Steinmetzen und Maurers in den Jahren 1448 bis 1450 9 Schilling (12 Schilling = 1 Mark) und der eines Handlangers 7 Schilling betrug. Diese Tageslöhne wurden ab 1452 teilweise, 1453 überhaupt um 1 Schilling gekürzt. Grund für die Reduzierung der Löhne war sicher die angespannte Finanzsituation der Stadt. Machten die Löhne trotz der Reduzierung doch über 38% der Kosten in den Jahren 1448 bis 1450 und 1452 bis 1453 aus.

Möglicherweise waren die Arbeiten am Turm 1451 aufgrund der beabsichtigten Lohnherabsetzung ins Stocken geraten und deshalb keine Sonderrechnung angelegt wurde. Die Handwerker haben vielleicht die Arbeit verweigert und erst 1452 ist der Kompromiss zustande gekommen.

Den Löhnen seien noch einige Preise gegenübergestellt. So kosteten im Jahre 1442 200 Heringe 6 Mark, 1449 wurden für 2 Paar Schuhe 1 Mark und 4 Schillinge bezahlt und 1432 hatten zwei in Linz gekaufte Stiere einen Wert von 34 Mark.

Wer den Runden Turm entworfen hat, weiß man nicht. Aus den Baurechnungen erfährt man immerhin, daß der städtische Werkmeister Philipp Preudemann als Bau- und Steinmetzmeister maßgeblich am Gelingen des Bauwerkes beteiligt gewesen ist. Als unmittelbares Vorbild für den Andernacher Turm könnte der um 1400 errichtete Ochsenturm in Oberwesel gedient haben, der mit 37 m Höhe aber die Monumentalität des großen Bruders aus Andernach vermissen läßt. Vorbilder sind ferner in Italien und Frankreich zu suchen. Mit dem Bau des Runden Turmes in Andernach wird ein Bauwerk geschaffen, daß den Vergleich im europäischen Rahmen nicht zu scheuen braucht.

Abschließend seien noch einige wichtige Daten zur Geschichte des Turmes zusammengestellt:

1689 Mißglückter Sprengversuch durch Truppen Ludwigs XIV.

1880 Renovierungsarbeiten am Turm. Die erneuerten Stadtwappen werden heraldisch falsch, nämlich senkrecht eingesetzt.

1920/22 – 1935 Jugendherberge im Runden Turm.

1945 Bei Kampfhandlungen am 8./9. März 1945 wird die Turmspitze abgeschossen.

1949 – 1961 Jugendherberge im Runden Turm.

1952 Beseitigung der Kriegsschäden am Turm. Unter anderem wird eine 3,58 m hohe und ca. 20 Zentner schwere Kreuzblume aus Basalt auf die Turmspitze gesetzt.

1985 – 1987 Als Baudenkmal von besonderer kultureller Bedeutung wird mit Mitteln der Stadt, des Landes und des Bundes eine umfangreiche Restaurierung des Turmes durchgeführt.

2003 550 Jahre Runder Turm, umfangreiche Restaurierungsarbeiten.

Der Turm ist vom 03. April bis 31. Oktober an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 13 – 18 Uhr geöffnet,